Interessensgemeinschaft Albschneck gegründet
Artikel vom 18.03.2004 aus SÜDWEST AKTIV (Alb Bote)
PROJEKT / Tradition soll in Indelhausen wieder aufleben
Wenn statt Kühen Schnecken grasen
Standortfrage und Zeitaufwand klären - Wertschöpfungskette für Region
ULRIKE BÜHRER-ZÖFEL, INDELHAUSEN
Aus Geschichte Zukunft machen, das klingt verlockend, aber der Weg dahin ist mit Hindernissen gepflastert: Roman Lenz, Professor an der FH Nürtingen, ist dem Schneckenhandel, der Schneckenmast auf der Spur. Auf der Alb, vor allem von Indelhausen aus, wurden mit den Weinbergschnecken (Helix Pomatia) gute Geschäfte gemacht.
Das hat die Albschneck-Interessengemeinschaft zwar auch im Blick, doch der ist im Moment erst mal rückwärts gewandt: Ein historischer Schneckengarten soll eingerichtet und mit diesem überschaubaren Projekt Erfahrungen gesammelt werden: Das kann Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung eines neuen Wirtschaftszweiges in der Region sein, aber auch die Erkenntnis, dass sich die Schnecken-Pflege nicht rechnet.
Standortfrage und Zeitaufwand sind die wichtigsten Punkte, die zunächst geklärt werden müssen. Im "Hirsch" in Indelhausen sind am Dienstagabend deswegen Schnecken-Freunde zusammengekommen, um die diversen Probleme und Möglichkeiten zu diskutieren. Ein Plätzchen, am besten in Lauternähe, müsste sich in Indelhausen, einst Schnecken-Hochburg auf der Alb und Lieferant bis nach Wien, schon finden lassen. Förster Hansjörg Eberhardt kann sich eine Mitarbeit beim historischen Schneckengarten durchaus vorstellen, ebenso Elmar Birnbickel, Leiter des Waldschulheims Indelhausen. Unterstützung signalisiert haben bereits Stadt Hayingen und Plenum/RegionenAktiv. Aus dem Reutlinger Programm-Topf gibt es natürlich nur Geld, wenn das Projekt nachhaltig angelegt wird, beziehungsweise zumindest die Möglichkeiten dafür bietet.
Lenz hat dafür schon eine gewisse Grundlage. Über die Diplomarbeit von Nicole Möck gibt es beispielsweise eine Umfrage bei 55 Gastronomen aus der Region. 33 haben geantwortet, 22 davon "verhalten sich positiv". Der Jahresverzehr an Schnecken auf der Mittleren Alb liegt bei etwa 4000, allein 800 davon gehen im "Hirsch" in Indelhausen weg. Weltweit liegt der Verbrauch bei 400 000 Tonnen, in Europa sinds rund 100 000. Der Genuss an Schnecken - in Italien und Frankreich übers ganze Jahr eine Delikatesse, in Deutschland eher saisonal als Fastenspeise gefragt - nimmt weltweit zu.
Eine regionale Wertschöpfungskette ist Lenz wichtig, soll auch schon beim Aufbau des historischen Schneckengartens mitgeplant werden: Neben dem Erzeuger denkt er dabei an die Metzger, die Schneckenwurst ins Programm aufnehmen könnten. Natürlich spielt die Gastronomie bei dem Vorhaben eine große Rolle. Nur wenn die Gastwirte mitziehen, am Kochtopf kreativ sind, lässt sich die Albschnecke vermarkten, denn dann wird die Geschichte auch für den Tourismus interessant Alb-Guide Rita Goller, die die Schnecken aus dem Lautertal schon zum Thema einer Tour gemacht hat, könnte den Gästen dann nicht nur aus der Vergangenheit berichten, sondern am Schneckengarten konkret zeigen, wies funktioniert. Und nicht zuletzt, so Lenz, ließe sich ja beispielsweise Geschirr für die diversen Schneckengerichte kreieren.
Das lässt sich allerdings nicht als Hobby betreiben, da müsste dann schon ein Landwirt einsteigen, der die Schneckenzucht zu einem Standbein seines Hofes machen will. Informationen, wie man mit Schnecken auf einen grünen Zweig kommt, gab es von der Deutschen Schneckenzucht Nersingen. Monika Merkle betreibt im Nersinger Teilort Unterfahlheim auf einem Hektar eine Schneckenzuchtanlage. Geht man die Sache professionell an, braucht man Zäune und Netze, Zuchttiere, Futtersamen. Die Kosten für diese Investition liegen zwischen 33 000 und 35 000 Euro. Die Chemie ist bei ihr tabu, natürliche, biologische Mittel werden zur Schädlingsabwehr eingesetzt.
Steht die Anlage - eine zeitintensive Angelegenheit - ist das Gröbste geschafft. Im Sommer, so Monika Merkle, sei sie trotz Hitze und Trockenheit in einer Stunde mit dem Gießen fertig gewesen. Pro Tag rechnet sie mit einem Arbeitsaufwand zwischen 1,5 und drei Stunden. Saison ist von April bis Oktober.
Die ersten zwei Jahre wird das Areal bestellt, die Schnecken aufgezogen, erst ab dem dritten Jahr kann man verkaufen. Wirtschaftlich wird die Schneckenzucht ab einem Hektar - etwa 800 000 Schnecken - , der Jahresumsatz im dritten Jahr liegt bei um die 40 000 Euro.
